Im Mittelalter gab es in beinahe allen katalanischen Städten eine jüdische Gemeinde, die in einem eigenen Viertel wohnte. Zeugen dieser Zeit finden sich heute noch in Städten wie Barcelona und Girona. Wir machen Station in Besalú, einem malerischen Ort, nur 25 Autominuten von Figueres entfernt. Zum Besuch des jüdischen Viertels überqueren wir die alte, befestigte Brücke, ein imposantes Denkmal aus Stein, das uns über den Fluss Fluvià und gleichzeitig auf einer Zeitreise in eine Welt mittelalterlicher Straßen, Plätze und Gebäude führt. Sieben Bögen verschiedener Größe stützen das Bauwerk auf den darunter liegenden Felsen ab.
Nach dem Überschreiten der Brücke tauchen wir in ein Gewirr aus engen, gepflasterten Gassen ein. Hier befand sich früher eines der größten jüdischen Viertel des Landes. Die Juden erlebten nach ihrer Ankunft auf der Iberischen Halbinsel Momente der Anerkennung und Phasen der Verfolgung. In guten Zeiten durften sie ihre Religion ausüben, Gotteshäuser und Kultstätten errichten. Aus verschiedenen Gründen lebten sie meist mehrheitlich rund um die Hauptsynagoge. Dieses jüdische Viertel wurde in Katalonien Call genannt. Der Name dürfte auf das lateinische Wort callum (Straße) zurückgehen. Schritt für Schritt stellen wir uns die damaligen Lebensumstände vor. Ganz in der Nähe der Gasse Tallaferro, einer der besterhaltenen aus jener Zeit, kommen wir plötzlich zur Plaça dels Jueus. Auf diesem ruhigen Platz befindet sich das jüdische Bad.
Bei der Besichtigung erklärt uns der Fremdenführer, dass diese Mikwe bis zur Entdeckung einer zweiten Anlage in der nahe gelegenen Stadt Girona im Jahr 2014 das einzige erhaltene jüdische Ritualbad auf der Iberischen Halbinsel war. Am unteren Treppenansatz angekommen befinden wir uns in einem im romanischen Stil errichteten unterirdischen Raum aus behauenem Stein, mit Tonnengewölbe und einem Wasserbecken, das auf natürliche Weise aus einer Quelle gespeist und in dem die Seele durch vollständiges Untertauchen des Körpers gereinigt wurde. Die Mikwe bezeugt die Anwesenheit von Juden im Ort und ist ein herausragender Bestandteil des architektonischen und kulturellen Erbes von Besalú, zu dem ferner das Kloster Sant Pere, die Kirche Sant Vicenç und der Justizpalast bzw. Cúria Reial gehören. Dazu kommen das Hospital de Sant Julià und weitere interessante Einrichtungen wie das Miniaturmuseum oder das Wurstwarenmuseum. Zweifellos ein einzigartiger Ort!